Vorwrts auf dem Weg zurck

Claudiu Bozesan sitzt in seinem Wohnzimmer, lehnt sich leicht nach vorne und sttzt die Ellenbogen auf die Oberschenkel. Hier, sagt der 48-Jhrige und fuchtelt mit dem rechten Arm herum, hier ist mein zu Hause. Hier bin ich fters als daheim. Das Sofa, auf dem Bozesan sitzt, ist eigentlich der kalte Stein der Stehplatzrnge. Und das

Claudiu Bozesan sitzt in seinem Wohn­zimmer, lehnt sich leicht nach vorne und stützt die Ellen­bogen auf die Ober­schenkel. Hier“, sagt der 48-Jäh­rige und fuch­telt mit dem rechten Arm herum, hier ist mein zu Hause. Hier bin ich öfters als daheim.“ Das Sofa, auf dem Bozesan sitzt, ist eigent­lich der kalte Stein der Steh­platz­ränge. Und das Wohn­zimmer eigent­lich das Dal­len­berg­sta­dion der Würz­burger Kickers. Hier treffen die Rot­hosen am Sonntag in der ersten Runde des DFB-Pokals auf Zweit­li­gist For­tuna Düs­sel­dorf.
 
Zu ver­danken haben sie das André Koob. Lange hatte der Tor­wart einen schweren Stand bei den Kickers. An Kapitän Daniel Tsi­flidis, einem der Publi­kums­lieb­linge, gab es für den Ersatz­mann kein Vor­bei­kommen. Dann erlitt Tsi­flidis im Trai­ning eine Gehirn­er­schüt­te­rung – und Koobs Zeit kam. Der 23-Jäh­rige spielte stark und durfte auch im Toto-Pokal­fi­nale gegen Liga-Kon­kur­rent SV Schal­ding-Hei­ning ran, obwohl Tsi­flidis wieder hätte spielen können. Dort stieg Koob im Elf­me­ter­schießen mit einem gehal­tenen Straf­stoß zum Helden auf und bescherte Würz­burg damit erst­mals seit 1981 einen Start­platz im DFB-Pokal.
 
Lange hatten die Würz­burger nicht mehr für derart posi­tive Schlag­zeilen gesorgt. 1977 herrschte nach dem Auf­stieg in die 2. Bun­des­liga Süd viel Euphorie im Verein und im Umfeld. Im November stieg das Derby mit dem FV Würz­burg 04 vor einer beein­dru­ckenden Kulisse von 14 000 Zuschauern am Dal­len­berg. 2:2 endete das Stadt­duell. Doch die Liga war eine Nummer zu groß für die Kickers. Ab dem vierten Spieltag standen sie stets an vor­letzter Stelle der Tabelle und stiegen mit 17:59 Zäh­lern direkt wieder ab. In den kom­menden Jahren spielten sie meist in der Lan­des­liga. 2001 waren die Kickers zah­lungs­un­fähig, 2002 stiegen sie in die Bezirks­liga ab. Der Verein war am Boden, stand unmit­telbar vor dem Aus, die Insol­venz drohte. Dann klin­gelte bei Claudiu Bozesan, zu dieser Zeit bei Ober­li­gist TSV Ger­brunn unter Ver­trag, das Telefon. Am anderen Ende der Lei­tung: Michael Schlag­bauer.

Heim­spiel auch aus­wärts: 30 bis 40 Fans waren immer dabei“

Der Vor­stands­vor­sit­zende wollte Bozesan dafür gewinnen, wieder bes­sere Zeiten für den Klub ein­zu­läuten. Bozesan, einst Zweit­li­ga­spieler bei Schwein­furt 05, konnte nicht ablehnen. Zu sehr hing er an dem Verein, schließ­lich hatte er von 1994 bis 2000 schon einmal für die Kickers gespielt. Die Bezirks­liga war für den sie­ben­ma­ligen A‑Nationalspieler Rumä­niens eine schwere Zeit. Er spielte teil­weise vor nicht mal 100 Zuschauern. Der harte Kern reiste aber immer mit – auf jeden Dorf­sport­platz in der Pro­vinz. Wir hatten auch aus­wärts oft ein Heim­spiel. 30 bis 40 Fans waren immer dabei“, erin­nert sich Bozesan. Diese Zeit war eine Grenz­erfah­rung für den Ex-Profi. Daran gedacht, die Kickers wieder zu ver­lassen, hat er aber nicht.
 
Heute ist der 48-Jäh­rige Trainer der A‑Junioren, Jugend­ko­or­di­nator und Leiter eines Fuß­ball­camps. Nach wie vor ist er täg­lich am Dal­len­berg. Auch wenn Bozesan nicht im Blick­punkt der Regio­nal­liga-Mann­schaft, son­dern eher im Hin­ter­grund arbeitet, ist er ein wich­tiger Teil des Ver­eins. Er hat nicht uner­heb­lich zum Auf­schwung bei­getragen und viele Spieler und Trainer bei den Kickers kommen und gehen sehen. Für viele ist Bozesan auch des­halb die Gali­ons­figur des Ver­eins, denn er ist die Kon­stante, kaum ein Zweiter lebt die Kickers so wie er.
 
Fischer steigt tiefer ein – der Grund­stein
 
Dass es, zumin­dest bis in den oberen Ama­teur­fuß­ball, recht schnell wieder bergauf ging, lag laut Bozesan in erster Linie an der Kon­ti­nuität, mit der im Verein von nun an gear­beitet wurde. Michael Schlag­bauer hat die Kickers auch in schlechten Zeiten unter­stützt. Und im Vor­stand ist unter seiner Füh­rung nie der eine nach links, der andere nach rechts gelaufen. Die haben immer an einem Strick gezogen.“
 
Dem glück­li­chen Zufall, dass der Baye­ri­sche Fuß­ball­ver­band den Ama­teur­fuß­ball neu ord­nete und einer Reform unterzog, ver­danken es die Kickers, dass sie die Ober­liga über­sprangen und nach der Lan­des­liga-Meis­ter­schaft in die Viert­klas­sig­keit hüpften. Nach der Rück­kehr in die Regio­nal­liga stieg die Online-Dru­ckerei Fly­er­alarm, die die Kickers schon vorher unter­stützt hatte, noch tiefer ein, und Geschäfts­führer Thorsten Fischer reichte den ein oder anderen Geld­schein mehr rüber: der Grund­stein für den Weg zurück. Das Sta­dion am Dal­len­berg heißt inzwi­schen Fly­er­alarm-Arena. Viele treue Fans heißen das nicht gut. Doch auch sie wissen: Ohne Fischers Finanz­spritzen wäre die Regio­nal­liga wohl nicht zu stemmen. Die Dritte Liga sowieso nicht. Bozesan sagt über den Geld­geber: Er ist ein echter Roter geworden.“

Auch wenn es schon Abend ist, zeigt das Ther­mo­meter noch 25 Grad an. Bozesan sitzt noch immer auf der Gegen­ge­rade der Arena, auf dem Rasen wäs­sert ein Rasen­sprenger. Mit einem unüber­hör­baren, aber gut ver­ständ­li­chem Akzent erzählt Bozesan jetzt von der aktu­ellen Saison. Dabei gerät der sonst so sach­liche und nüch­terne Fami­li­en­vater sogar richtig ins Schwärmen. Es ist sen­sa­tio­nell, was sich hier ent­wi­ckelt. Nicht nur in Würz­burg, in der ganzen Region geht es vor­wärts.“

Der Plan: In drei Jahren Dritte Liga

Würz­burg strebt wieder nach Höherem: 3x3“ heißt eine Formel, hinter der sich das Vor­haben ver­birgt, in drei Jahren in die Dritte Liga auf­zu­steigen. Dazu haben die Ver­ant­wort­li­chen ein Kon­zept mit einem Etat von 1,2 Mil­lionen pro Saison aus­ge­ar­beitet. Vor der Runde kamen 14 Spieler, sechs gingen. Der Kopf des Pro­jekts ist Trainer Bernd Hol­ler­bach. Der gelernte Metzger stammt aus Rimpar, einer Gemeinde unweit von Würz­burg. Schon als Spieler war der heute 44-Jäh­rige bei den Kickers. Unter seiner Regie über­rennt die Mann­schaft momentan die Gegner förm­lich. Die Kickers sind der Top­fa­vorit auf die Regio­nal­liga-Meis­ter­schaft und werden dieser Bezeich­nung bis­lang auch gerecht. Man sieht den Stempel von Hol­ler­bach“, sagt Bozesan, die Ergeb­nisse stimmen und auch die Art und Weise, wie die Jungs Fuß­ball spielen, ist beein­dru­ckend. Die Zuschauer gehen alle zufrieden nach Hause.“
 
Die Gefahr, dass das Inter­esse der Fans nach dem momen­tanen Hype nach­lassen könnte – zumal nur gut eine Hand­voll Spieler im aktu­ellen Kader aus der Region kommen – sieht Bozesan nicht. Zukunfts­trächtig sei das Pro­jekt auch so. Das begründet er auch mit der Jugend­ar­beit. Hol­ler­bach hat sich schon einige Spiele der A‑Junioren ange­schaut und dabei das ein oder andere Talent gesehen. Zeitnah sollen zwei, drei Spieler bei der ersten Mann­schaft mit­trai­nieren. Denen traue ich zu, dass sie es packen. Auch wenn es nicht von heute auf morgen geht“, sagt Bozesan.

Eine Über­ra­schung gegen Düs­sel­dorf?
 
Der Pokal­sieg gegen Schal­ding-Hei­ning war einer der größten Erfolge der jün­geren Ver­eins­ge­schichte. Er spült dem Verein durch die Teil­nahme am DFB-Pokal mehr als 100.000 Euro in die Kassen. Am Sonntag geht es für Hol­ler­bachs Elf gegen Zweit­li­gist Düs­sel­dorf. Und auch wenn es in Würz­burg momentan kaum besser laufen könnte, gibt sich Bozesan keinen Illu­sionen hin. Der große Favorit sei die For­tuna. Eine Über­ra­schung traut er dem Außen­seiter aber allemal zu. Um das aus­zu­drü­cken, bemüht er eine alte Floskel: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze. Wir brau­chen Glück, aber wenn wir einen guten Tag erwi­schen, ist alles mög­lich.“ Und Hol­ler­bach sagte kürz­lich im Blick­punkt Sport: Wir sind der klare Underdog, aber wir ver­su­chen uns gut zu ver­kaufen. Nor­ma­ler­weise – das sind zwei Klassen – brennt da nichts an. Aber mal schauen.“

Von der Stadt hat sich der Verein eine Son­der­ge­neh­mi­gung geholt. So darf er nun 12.000 statt 5000 Zuschauer, wie zu Sai­son­spielen üblich, ins Sta­dion lassen. Die Arena wird aus­ver­kauft sein. Und hier, wo Bozesan gerade sitzt, werden die Kickers-Fans auf der Gegen­ge­rade ihre Mann­schaft anfeuern. Es wird laut werden in seinem Wohn­zimmer.

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWempL%2B4caJsXHpsoqnAbq3Un2SdnZ1ixKazjLOsq11zaHKDj8KkZm1wYWeDcQ%3D%3D

 Share!