Wenn er das nicht erkennt, ist er ein Trottel 11FREUNDE

Das Gesprch erschien erstmals in 11FREUNDE #224 im Sommer 2020. Das Heft findet ihr bei uns im Shop. Mittlerweile steckt Hertha auch unter Bruno Labbadia wieder im Abstiegskampf und Michael Preetz ist so umstritten wie noch nie in seiner bald 12-jhrigen Amtszeit.

Das Gespräch erschien erst­mals in 11FREUNDE #224 im Sommer 2020. Das Heft findet ihr bei uns im Shop. Mitt­ler­weile steckt Hertha auch unter Bruno Lab­badia wieder im Abstiegs­kampf – und Michael Preetz ist so umstritten wie noch nie in seiner bald 12-jäh­rigen Amts­zeit.

Es ist Mitt­woch, der 27. Mai 2020. Gleich trifft Hertha auf Leipzig, nach Wochen voller Pein­lich­keiten und Skan­dalen hat Bruno Lab­badia es inner­halb kurzer Zeit geschafft, für Ruhe in Berlin zu sorgen. Also ganz anders als sein Vor­gänger Jürgen Klins­mann. Apropos. Kay Bern­stein, Tommy Kem­pert-Gmuer, Chris­to­pher Vogel: Wenn ihr Klinsi in einer dunklen Gasse über den Weg laufen würdet, was würdet ihr tun?

Chris­to­pher Vogel: Ich würde ihn in die Cha­rité Mitte ein­lie­fern. Der Typ hat auf mich den Ein­druck hin­ter­lassen, als sei er psy­chisch ange­schlagen. Ich emp­finde für Klins­mann bes­ten­falls noch Mit­leid.
Tommy Kem­pert-Gmuer:
Ich hatte nach der Face­book-Nummer schon einen rich­tigen Hals. Aber mitt­ler­weile denke ich eher: Meine Güte, der Kerl ist im End­ef­fekt der größte Ver­lierer der ganzen Geschichte.
Kay Bern­stein:
Ich hätte schon noch ein paar Fragen an ihn. Irgend­etwas muss ihn kurz vor seinem Rück­tritt ja so doll ver­letzt haben, dass es zu der Kurz­schluss­re­ak­tion gekommen ist. Den Aus­löser dafür würde ich gerne wissen.
Kem­pert-Gmuer:
Der Grund steht doch in seinem Tage­buch: Sein Sohn wurde nicht zurück­ge­holt! (Lacht.)
Vogel:
Selbst wenn man den Aus­löser kennen würde: Nichts recht­fer­tigt diesen Auf­tritt. Ihm ging es nicht um das Beste für den Verein, son­dern allein um sich selbst. Hertha war und ist ihm scheiß­egal. Das Erschre­ckende ist bloß, dass er mit vielen Pas­sagen in seinem Tage­buch Recht hatte.
Kem­pert-Gmuer:
Damit, dass es zu viele Seil­schaften gibt?
Vogel:
Zum Bei­spiel.
Bern­stein:
Gegen­bauer (Hertha-Prä­si­dent, d.Red.) und Preetz ver­su­chen nicht, gute Leute in den Verein zu holen, son­dern achten in erster Linie darauf, selber fest im Sattel zu sitzen. Fest steht aber unab­hängig davon: Klins­mann ist ver­brannt. Wie soll der denn je wieder einen Trai­nerjob finden?
Kem­pert-Gmuer:
Fest steht vor allem: Mit Klins­manns Hilfe haben wir dem HSV den Rang als Cha­os­klub abge­laufen.
Bern­stein:
Das ver­gan­gene Jahr war in der Hin­sicht wirk­lich hart. Mitt­ler­weile hassen uns ja selbst Leute, denen wir sonst egal gewesen sind. Aber wisst ihr, geschämt habe ich mich weder für Klins­mann und seine Face­book-Live-Auf­tritte noch für die Tage­bü­cher. Geschämt habe ich mich für den sport­li­chen Auf­tritt an der Alten Förs­terei.
Kem­pert-Gmuer:
Auch für das, was in unserem Block abging? Also für die Raketen? Ich näm­lich schon.
Bern­stein:
Klar. Dass unsere Kurve es nicht geschafft hat, diesen Mist selbst zu regu­lieren, emp­finde ich durchaus als beschä­mend. Das war nicht die Kurve, mit der ich mich brüsten will.
Vogel:
Ich schäme mich noch für etwas anderes. Und zwar für jeden öffent­li­chen Auf­tritt von Michael Preetz. Er fühlt sich immer ange­griffen. Egal, was gefragt wird. Er nimmt sofort eine Ver­tei­di­gungs­po­si­tion ein. Wie ein kleines Kind.
Bern­stein:
Aber weil er das auch nicht mag. Ich ver­stehe nicht, warum er nicht ein­fach jemand anderen hin­stellt, der diese Arbeit für ihn erle­digt. Er sagt selber: Er ist kein Redner, er fühlt sich in der Rolle nicht wohl.

Kay Bern­stein,

ist Grün­dungs­mit­glied vom För­der­kreis Ost­kurve, war Ende der Neun­ziger der erste Vor­sänger der Ultras und holte sich damals zunächst Ord­nungs­schellen“ ab. Hält sich seit einigen Jahren im Hin­ter­grund.

Kem­pert-Gmuer: Ich glaube, er hat kein gesundes Manage­ment-Ver­ständnis. Statt sich Spe­zia­listen in den Verein zu holen, die bestimmte Dinge besser können als er, will er gefühlt lieber alles selber machen. Für diesen Anspruch kann man ihm Vor­würfe machen.
Vogel:
Aber sorry: Wenn er das nicht selber erkennt, ist er meiner Mei­nung nach ein klein­geis­tiger Trottel.
Kem­pert-Gmuer:
Das hast du jetzt gesagt. Nicht, dass ich hier am Ende mit einem Sta­di­on­verbot raus­gehe. (Lacht.) Aber apropos öffent­liche Auf­tritte von Michael Preetz: Wenn der in einer Pres­se­kon­fe­renz sagt, dass man sich im aktiven Aus­tausch mit der Fan­szene“ befinde, mit wem redet der dann eigent­lich?
Bern­stein:
Frag ihn mal. Keine Ahnung. (Lacht.) Im End­ef­fekt meint er seine haupt­amt­li­chen Fan­be­treuer. Die natür­lich wirk­lich im engen Aus­tausch mit der Fan­szene stehen. Und seit einiger Zeit gibt es tat­säch­lich auch ab und zu Dia­logrunden mit Leuten aus der Ost­kurve, bei denen Micha und auch Paul (Keuter, d.Red.) zumin­dest dabei­sitzen.
Vogel:
Aber deren Ziel ist ja nie, als Verein von diesen Gesprä­chen zu pro­fi­tieren. Son­dern das Ziel ist einzig und allein, die Wogen zu glätten und die Leute bei Laune zu halten. Ich kann aus eigener Erfah­rung sagen: Wer als Fan Dinge kri­tisch hin­ter­fragt, dem wird das Gefühl gegeben, im Weg zu stehen.

Nicht, dass ich hier am Ende mit einem Sta­di­on­verbot raus­gehe“

Tommy Kempert-Gmuer

Bern­stein: Kritik wird nie als kon­struktiv gesehen, son­dern immer als per­sön­li­cher Angriff gewertet. Man kann mit der Geschäfts­füh­rung nie inhalt­lich dis­ku­tieren. Was auch daran liegt, dass es keine Augen­höhe gibt. Es ist immer ein von oben nach unten. Ein Wir Her­thaner“, ein Gefühl des Mit­ein­an­ders, gibt es nicht.
Vogel:
Wer an der Spitze eines großen Ver­eins steht, ist auch dafür ver­ant­wort­lich, diesen Verein zusam­men­zu­halten. Der muss in der Lage sein, mit Men­schen ver­nünftig umzu­gehen. Das heißt ja nicht, dass Preetz auf jeden Trottel hören muss, der auf der Mit­glie­der­ver­samm­lung for­dert, Marko Pan­telic zurück­zu­holen. Aber ich erwarte von einem Mann wie ihm schon, dass er ver­schie­dene Men­schen und Gesell­schafts­schichten mit­ein­ander ver­bindet. Dass er Ver­eins­mit­glie­dern zuhört, dass er sie für voll nimmt. Doch diese Kom­pe­tenz hat er nicht. Das sieht man bei seinen öffent­li­chen Auf­tritten, das bekommt man mit, wenn man sich im Verein umhört. Oder ein­fach nur auf eine Mit­glie­der­ver­samm­lung geht. Da läuft Preetz arro­gant durch die Gegend und hat keine Lust, sich mit irgend­je­mandem aus­ein­an­der­zu­setzen.
Kem­pert-Gmuer:
Aber da hast du einen sehr ideellen Blick. Er ist ja in erster Linie der Geschäfts­führer eines mil­lio­nen­schweren Unter­neh­mens und nicht Vor­sit­zender eines Nach­bar­schafts­ver­eins.

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